Leseprobe 7

Kurzmitteilung


Neun Leben

von Chris P. Rolls

Alisters Leben könnte kaum besser verlaufen. Frisch verliebt macht er sich einen schönen Abend mit seiner Flamme Juri. Doch innerhalb von Sekunden verändert sich alles. Woher kommt der graue Kater … und eigentlich hatte Alister das Zeitliche gesegnet, oder nicht?

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Murrend bewegte sich Alister. Kälte kroch über den Nacken, der Rücken schmerzte, Fuß- und Handgelenke fühlten sich irgendwie seltsam steif an. Unwillig tastete er nach seiner Bettdecke, denn ihm war wirklich kalt. Hatte er sie runtergestrampelt? Widerwillig öffnete er die Augen, blinzelte in das viel zu helle Licht und tastete fahrig über seinen Körper. Wieso war er überhaupt nackt? Normalerweise zog er doch zumindest eine Schlafhose über. Und warum war es so verdammt hell? So spät konnte es doch noch gar nicht sein. Verdammt, seit wann waren seine Augen denn so empfindlich? Und wieso hatte er das Gefühl, nicht recht in seinem Körper zu sein?

Irritiert schüttelte Alister den Kopf, versuchte die Benommenheit loszuwerden und richtete sich behutsam auf. Nein, Kopfschmerzen hatte er keine, auch wenn er sich reichlich verkatert fühlte.

Nanu? Er lag ja auf seiner Bettdecke, war gar nicht darunter gekrabbelt. Und ganz am Ende seines Bettes. Verblüfft richtete er sich ganz auf. Wo waren seine Klamotten? Shit, hatte er sich doch zu viel Alkohol zugemutet? Was war eigentlich gestern los gewesen? Hatte er einen Club besucht?

Die kleine Uhr neben dem Bett behauptete, es wäre 7 Uhr am Sonntagmorgen. Hatte er gestern nicht nach Hamburg gewollt? Da war doch irgendwas gewesen. Wieso fiel es ihm nur so schwer, sich zu erinnern?

Verwirrt schaute er sich nach seinem Handy um. Das legte er doch immer auf den Nachttisch. Nein, da war es nicht, er musste wirklich reichlich neben sich gewesen sein. Mit einem leisen Ächzen streckte er sich, fühlte sich, als ob er Muskelkater in Muskeln hätte, von deren Existenz er nicht einmal etwas geahnt hatte. Was zur Hölle hatte er denn getrieben?

Ein schrilles Klingeln riss ihn aus den Gedanken, und er brauchte einen Moment, um das überlaute Geräusch als seine ganz normale Türglocke zu identifizieren.

Rasch schnappte er sich den Bademantel vom Türhaken, als er am Badezimmer vorbeieilte, und zog ihn sich an, während er zur vorderen Tür ging. Wer wollte denn um diese Uhrzeit etwas von ihm?

Die Tür knirschte zu laut, als er sie öffnete und den jungen Mann musterte, der ihn mit offenem Mund und mit von Überraschung zu Erleichterung wechselndem Gesichtsausdruck anstarrte.

»Scheiße Mann, du bist okay! Ich bin fast verrückt geworden, ich dachte, die hätten dich erschossen und dann warst du einfach weg. Verdammt, die Polizei hat mir kein einziges Wort geglaubt, die dachten, ich bin auf Dope. Keine Leiche zu finden, und die Typen waren natürlich auch schon weg«, sprudelte er hervor, machte einen Schritt auf Alister zu, als ob er ihn umarmen wollte, und stoppte mit irritiertem Ausdruck ab.

»Was? Was ist los?« Alister hatte das vage Gefühl, den Mann zu kennen, konnte sich auf den Rest indes keinen Reim machen. Erschossen? Wieso hatte er einen dumpfen Knall in Erinnerung?

»Bist du wirklich okay? Wo warst du denn?« Der junge Mann mit den kurzen schwarzbraunen Haaren und wunderschönen, braungrünen Augen trat einen Schritt auf ihn zu, hob die Hand zögernd, als ob er ihn berühren wollte, und plötzlich wusste Alister auch seinen Namen: »Juri?«

Der Geruch von frischem Holz, raue Bartstoppeln, ein charmantes Lächeln. Wein, der über seine Lippen perlte, das Gefühl eines … Kusses. Instinktiv berührte Alister seine Lippen.

»Ja klar, ich bin es. Was ist mit dir los? Amnesie? Mensch, Ali, ich bin fast gestorben vor Angst. Ich habe nur die Schüsse gehört und bin zurückgerannt und … Du erinnerst dich doch wirklich an mich?« Das Letzte klang so ängstlich, dass Alister ihn eindringlicher musterte. Juri … Oh ja, er erinnerte sich an einen Kuss, an einen reichlich leidenschaftlichen dazu. An gemeinsames Lachen, ein gutes Essen, eine Hand, die ihm über die Wange gestrichen war. Kalte Steine im Rücken. Sein Lachen, das Blitzen der Augen.

»Ja, ich …«, begann Alister, schüttelte den Kopf, als ob die Erinnerungen dadurch endlich wieder an ihren Platz geschüttelt werden könnten. Verdammt, er kannte diesen heißen Typ todsicher näher. »Ich weiß nicht. Ich kenne dich. Wir …« Sie waren nicht zum ersten Mal zusammen unterwegs gewesen. GayRomeo? Hatten sie sich nicht einige Mails geschrieben, ehe sie sich das erste Mal getroffen hatten? Da war so ein Kribbeln im Bauch. Und letzte Nacht …

»Jurek. Juri. Wir sind in den letzten Wochen ein paar Mal aus gewesen. Bei dem kleinen Griechen am Marktplatz? Du magst absolut kein Baklava. Dann der Poolclub? Erinnerst du dich, was geschehen ist, als wir zu dir wollten?« Noch immer wirkte Juri sehr besorgt.

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